Ronald Wright: Die Schönheit jener fernen Stadt

Eine Rezension von Rob Randall

Weitgehend unbemerkt erschien 2008 in Deutschland Ronald Wrights Roman Die Schönheit jener fernen Stadt, der als Fortsetzung von H. G. Wells berühmter Zeitmaschine im englischsprachigen Raum ein Jahr zuvor durchaus einige Erfolge verbuchen konnte.

Nun ist das Anknüpfen an eine derart berühmte Vorlage durchaus heikel. Nicht umsonst waren die ersten  Fortsetzungen von The Time Machine wie Egon Friedells Die Rückkehr der Zeitmaschine und Wilhelm Bastinés Die wiedergefundene Zeitmaschine eher humoristisch-satirischer Natur. Letzteres trifft auf Wrights Scientific Romance, obwohl auch hier die Zeitmaschine zurückkehrt und die Kommentare des Ich-Erzählers den Leser durchaus hin und wieder schmunzeln lassen, allerdings nicht zu.

Der Inhalt

Der Beginn des Romanes dürfte die meisten Leser zunächst einmal irritieren. Während Wells Protagonist vornehmlich Interesse an der Zukunft zeigt, besitzt für Wrights Helden David Lambert die Vergangenheit – nicht nur weil er Historiker und Wells-Experte ist, eine besondere Bedeutung: Dementsprechend berichtet er seinem alten Studienfreund Bird in jenem Brief, der den ersten – höchst sehnsuchtsvollen – Teil des Romanes bildet, zum einen von einer merkwürdigen Botschaft aus der Zukunft respektive Vergangenheit, die ihn in den Besitz der Zeitmaschine gebracht hat, und zum anderen arbeitet er auch die zunehmende Entfremdung zwischen sich, dem Adressaten und ihrer ehemaligen gemeinsamen Freundin Anita auf, die er trotz seiner Gefühle jahrelang aus den Augen verloren und von deren Tod durch die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit er nun erfahren hat. Ebenfalls infiziert will er in der Hoffnung auf Heilung in die Zukunft reisen.

Im Jahre 2500 angekommen findet David ein menschenleeres und von tropischischen Pflanzen und Tieren beherrschtes London vor. Die eindrucksvollen Beschreibungen der verwilderten Landschaft und der städtischen Ruinen sind dabei zunehmend von wachsenden Gefühlen der Einsamkeit geprägt, die auch die Bekanntschaft zu einem höchst friedlichen Panther nicht dauerhaft verhindern kann. Auf der Suche nach weiteren Überlebenden verlässt er die deprimierende Metropole und macht sich auf den Weg nach Norden – nicht ohne Plätze seiner Kindheit aufzusuchen und erste Hinweise auf die Ursachen des Unterganges der Zivilisation zu finden. Als er paradoxerweise an den Ufern von Loch Ness eine primitive Stammesgemeinschaft von dunkelhäutigen Schotten findet, erschließen sich ihm nach und nach die Gründe für das Ende der bekannten Welt: Der Creuzfeldt-Jakob-Krankheit folgten weitere Seuchen nach, die in Kombination mit einem drastischen Klimawandel den Untergang herbeigeführt haben, den auch die drastischen Maßnahmen eines Regimes nicht verhindern konnten. Eine Heimat findet David jedoch bei den letzten Menschen Englands nicht mehr – wie sie einst sieht er sich Anfeindungen und Intrigen ausgesetzt, die ihn zur erneuten Reise durch die Zeit veranlassen.

Durch die romantische Brille gesehen

Wrights Roman ist eine höchst bunte Mischung geworden – das wird nicht jedem Fan des Genres gefallen. Vor allem der erste, über weite Strecken sehr reflexive Teil zeigt, dass Wright einfach mehr wollte als ein weiteres postapokalyptisches Abenteuer zu erzählen. Die emotionale Tiefe des Werkes gründet sich vor allem auf diese ersten Seiten, die vor trotz humoriger Momente vor allem von der Sehnsucht betimmt werden.

Das anschließende Last-Man-Szenario lebt stark von seinen Beschreibungen, die trotz ihrer deutlichen romantischen Stilisierung eher zu den besseren des Genres gehören und jene trostlose Stimmung vermitteln, die man hier einfach erwartet; sie wiegen die naturgemäße Handlungsarmut dieses höchst atmosphärischen Abschnittes bei weitem auf.

Eher schwach sind die Abenteuer des Helden in den schottischen Bergen geraten. Die Versuche Wrights, durch groteske Details zu verbergen, dass das meiste einem doch irgendwie bekannt vorkommt, schlagen fehl – auch wenn sie nicht wenig zur Atmosphäre des Schlusses beitragen: Erfolgreich führt Wright vor, wie unsere vermeintlichen kulturellen und technologischen Errungenschaften genauso vergehen wie unsere absolut geglaubten Werte. Nach den letzten Seiten kehrt der Leser dementsprechend auch mit einem bedrückenden nihilistischen Gefühl von Verlorenheit angesichts der Zeit und der sinnentleerten Geschichte in seine eigenes Jahrhundert zurück. Das vermag durchaus nicht jeder Roman des Genres – und macht Die Schönheit jener fernen Stadt durchaus lesenswert.

Fazit

Ronald Wrights atmosphärischer und streckenweise etwas handlungsarmer Roman Die Schönheit jener fernen Stadt wird sicher kein Klassiker werden wie H. G. Wells Zeitmachine – aber er vermittelt insgesamt jene romantisch-düstere Stimmung, die man sich von einem postapokalyptischen Roman, der vom potentiell letzten Menschen und der Zeit nach unserer Zeit erzählt, wünscht. Die motivischen Seufzer der Romantik, die Wright hier noch einmal erklingen lässt, verfehlen ihre Wirkung auf den Leser auch im 21. Jahrhundert nicht.

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