Alden Bell: Nach dem Ende

Eine Rezension von Rob Randall

Die meisten Käufer von Nach dem Ende dürften wohl bei der Lektüre eine ganze Reihe von ‘bösen’ Überraschungen erleben. Zwar wartet der Roman wie vom Verlag angedeutet mit einer postapokalyptischen Welt nach einer Umweltkatastrophe auf, allerdings durchstreifen schon sehr bald hungrige Gestalten die öde Landschaft, die einem nicht nur verdächtig langsam, sondern auch höchst bekannt vorkommen: Zombies! Eine ganze Welt voll!

Als wäre das nicht schon Grund genug für die meisten Leser sich erfreut die Hände zu reiben, wird auch schnell deutlich: Obwohl mit der 15-jährigen Temple eine jugendliche weibliche Protagonistin im Zentrum der Handlung steht, gehört der Roman, den der amerikanische Autor Aldon Bell 2010 unter dem schöneren Orginaltitel The Reaper are the Angels veröffentlicht hat, ganz und gar nicht zu jener Flut von Jugendbüchern und All-Agern, die spätestens seit Suzanne Collins‘ Die Tribute von Panem mit ihren erschreckenden Zukunftsvisionen den amerikanischen und deutschen Buchmarkt überschwemmen – denn die elterlose Temple findet im Unterschied zu den meisten anderen literarischen Akteurinnen weniger ihre Freude darin, sich schminken zu lassen und in attraktive junge Männer zu verlieben als vielmehr den Untoten beim Überlebenslampf in einer post-postapokalyptischen U.S.A. blutig den Garaus zu machen. Und obwohl die Heldin auch ihre weichen Seite hat, wenn sie sich um den geistig zurückgebliebenen Dussel kümmert, und spürbar an einem traumatischen Ereignis ihrer Vergangenheit leidet – sie steht ihren deutlich erkennbaren popkulturellen Vorbildern, der Kriegerprinzessin Xena und der Vampirjägerin Buffy, in Bezug auf Schlagkraft und Souveränität in nichts nach [siehe hierzu auch das Interview mit Aldon Bell auf Zombieinfo.com]. Sympathisch macht die zurückhaltend auktorial erzählte Geschichte neben des eigenwilligen Charakters der Protagonistin ihr unerwartetes Ende – womit sich der Roman von den meisten diesjährigen Erscheinungen im postapokalyptischen und dystopischen Genre merklich unterscheiden dürfte.

Spannend ist der Roman, der mehrfach eine gelungene Endzeitatmosphäre evoziert,  aus einer ganzen Reihe von Gründen. Überraschenderweise geht dabei die größte Bedrohung für die Heldin in dieser Welt, die Temple ja gar nicht anders kennt, nicht von den Untoten aus, sondern von den wenigen Überlebenden, die meinen, mit einem jungen hübschen Mädchen leichtes Spiel zu haben. Zu allem Unglück setzt sich dann auch noch bei ihrer Suche nach Dussels Verwandten ein von Rachedurst getriebener Jäger auf ihre Spur – und dieser lässt sich zwar zeitweise aufhalten, aber einfach nicht abschütteln:

Naja, sagt sie, bis jetzt bist du mir nur auf die Nerven gefallen. Und dafür kann ich dich wohl kaum abknallen.

Du hast wirklich Ehre im Leib, Kleine. du und ich, wir werden noch einigen Staub von der Erde aufwirbeln, bevor es ans Halsabschneiden geht.

Und damit wird auch schon der Aspekte des Romans berührt, durch den die Geschichte im Verlauf eine traurige Tiefe gewinnt und am Ende beinahe etwas Metaphysisches aufscheint: Denn obwohl die Protagonistin und ihr Antagonist sich persönlich ganz gut leiden können und auf eine irritierende Art in ihrer Einsamkeit einander ähnlich sind, können sie bei ihrem Spiel um Leben und Tod nicht aus ihrer Haut:

Wir spielen nur die Rollen, die für uns geschrieben wurden.

Ich weiß, bekennt sie.

Ja, ich sehe es. Du hast Sinn für solche Sachen, genau wie ich. Du verstehst, dass sie Welt eine Ordnung hat – feste Regeln, die für die Menschen und Götter gelten.

Dass die beiden damit Recht haben, auch wenn sie tatsächlich nicht alle Regeln des Schicksals kennen und über sämtliche Informationen verfügen, zeigt der Schluss – der gar nicht anders sein kann und darf als Bell ihn letztendlich gelungen – wenn auch ein bisschen konstruiert wirkend – angelegt hat.

Schade ist meiner Ansicht nach nicht, dass der Leser nichts über die Ursachen der Katastrophe(n) erfährt, sondern zum einen, dass Bell, der im bürgerlichen Leben übrigens den Namen Joshua Gaylord trägt und mit der Schriftstellerin Megan Abott verheiratet ist, den Roman nahezu vollständig im epischen Präsens verfasst hat, und zum anderen, dass er auf die Kennzeichnung der wörtlichen Rede wie auch der Gedanken verzichtet. In Kombination mit dem weitgehend zurückhaltenden auktorialen Erzählverhalten ergibt sich so zwar nicht nur der Eindruck eines personalen, sondern auch recht unmittelbaren Erzählens, aber störend wirkt dieses manchmal doch – zumal es wenig zur Spannungssteigerung selbst beizutragen scheint.

Fazit

Nach dem Ende ist ein spannender Roman, der aber nicht nur auf Action setzt und zudem in angenehmer Weise der Erwartungshaltung der meisten Leser zuwiderlaufen dürfte. Aus der Anlage der Handlung und der Figuren gelingt es Alden Bell, ihm mehr Tiefe zu geben als es für einen Roman, der das Überleben nach einer Zombieapokalypse behandelt, sonst üblich ist. Es gibt also genügend Gründe dafür, sich die 315 Seiten aus dem Heyne Verlag einmal vorzuknöpfen.

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