John Wyndham: Es geschah am Tage X

Eine Rezension von Rob Randall

Der erstmals 1957 erschienene Roman The Midwitch Cuckoos des britischen Autors John Wyndham ist ein gutes Beispiel dafür, wie man als Autor eine vielversprechende Idee, die durchaus geeignet ist, dem Leser wohlige Gruselschauer über den Rücken zu jagen, gekonnt kaputtschreiben kann.

Die Handlung des Romanes, der unter dem Titel Es geschah am Tage X in einer älteren, und unter dem Titel Kuckuckskinder nun seit wenigen Jahren in einer neuen Übersetzung vorliegt, dürften den meisten aufgrund ihrer Verfilmung als Das Dorf der Verdammten bekannt sein:

Der (eigentlich  vielversprechende) Inhalt

Rätselhafte Ereignisse hindern den Erzähler und seine Ehefrau daran, in ihren kleinen beschaulichen Wohnort Midwitch zurückzukehren, denn jenseits einer unsichtbaren und kreisförmig verlaufenden Barriere, deren Mittelpunkt ein seltsames Objekt bildet, schläft das Dorf einen Dornröschenschlaf. Der Erleichterung, als sich nach wenigen Stunden alles wieder zu normalisieren scheint, folgt Entsetzen, als man feststellen muss, dass sämtliche Frauen des Ortes schwanger sind.

Die 61 Kinder, die infolge des mysteriösen Ereignisses geboren werden, ähneln sich aufgrund ihrer blonden Haare und goldenen Augen nicht nur äußerlich erschreckend, sondern bilden offensichtlich auch zwei Kollektivintelligenzen: Eine männliche und eine weibliche. Zur Durchsetzung ihres Willens und ihrer Verteidigung machen die Kinder zudem hemmungslos von ihren erschreckenden psychischen Kräften Gebrauch. Die Ereignisse spitzen sich zu, als sich 9 Jahre später die doppelt so schnell reifenden Invasoren einem aufgebrachtem Mob von Einheimischen erwehren müssen und die Regierung der U.d.S.S.R. mittels Atomgranaten ein Dorf, in dem sich Ähnliches abgespielt hat, ausradiert. Da von der britischen Regierung kaum eine solch konsequente Lösung wie unter der kommunistischen Diktatur erwartet werden kann, schmuggelt der “Weise” von Midwitch, welcher aufgrund seiner Lehrtätigkeit das Vertrauen der Kinder genießt, eine Bombe in ihr Heim und sprengt sich mit ihnen in die Luft.

Vom gelungen Anfang…

An Wyndhams Roman, den man übrigens durchaus auch als literarischen Reflex auf die Paranoia vor einer kommunistischen Bedrohung in der McCarthy-Ära interpretieren kann, lässt sich gut die Verwandschaft von Aliens im Science Fiction mit den phantastischen Horror-Monstern und bedrohlichen Spukgestalten der Gothic-Novel erkennen. Zu Beginn schafft Wyndham mit seiner amüsanten Beschreibung der kleinen ländlichen Dorfgemeinde und ihrer Bewohner nebst dem aus der britischen Belletristik zur Genüge bekannten unterhaltsamen ironischem Unterton eine Atmosphäre der Normalität, die wenig später durch den Einbruch des Phantastischen jedoch grotesk konterkarriert wird – wodurch sich nicht nur bei den zeitgenössischen Lesern ‘Gruseln’ einstellen dürfte. Die auftretenden Kollektivintelligenzen erinnern – auch durch ihre Fähigkeiten – eher an einen unerwünschten Besuch aus dem Jenseits denn an den unser lebenden Verwandtschaft vom Mars. Genretypisch werden dementsprechend die Hintergründe der “Invasion” im Verlauf des Romanes auch konsequent nicht aufgeklärt – weil mehr als ein BIick hinter den Schleier die Wirkung des phantastischen “Risses” in unserer Welt, welche typischerweise auch nur durch den Einsatz eines herausragenden Helden gerettet werden kann, sofort zunichte machen würde.

… zum enttäuschenden Rest

So vielversprechend der Roman auch beginnt – spätestens nach dem ersten Drittel stellt sich beim Leser Ernüchterung ein. Da die ironische Erzählhaltung ihre Schuldigkeit getan hat, wird sie zugunsten teilweise kruder Dialoge, die nun den Text gänzlich zu dominieren beginnen, fallen gelassen. Weil der Einbruch des Phantastischen dauerhaft geworden ist, muss Wyndham nun beständig mit rätselhaften Erscheinungen nachlegen, wenn der Roman seine Wirkung auf den Leser nicht verfehlen will. Er tut es trotzdem – weil sich die vielversprechende Stimmung des Anfangs in der Unterhaltung der Figuren untereinander nicht mehr einstellen will. So wenig die zweite Hälfte des Textes schon alleine literarisch überzeugen kann, so wenig kann sie es im Vergleich mit dem Beginn des Romans. Angesichts des Stilbruches fragt man sich, wo die Ursache zu suchen ist: Ob Wyndham nach den ersten 50 Seiten bemerkt hat, dass ihm einfach nicht genügend Raum zu Verfügung steht? Ob er an dem Roman einfach die Lust verloren hat? Ob ihm aufgegangen ist, dass seine anfängliche Strategie auf Dauer nicht erfolgreich sein kann? Ob er seinen Stoff nicht meistern konnte? Und zuletzt: Ob vielleicht nicht doch ein konsequenterer Schwenk in Richtung SF den Roman gerettet hätte?

Fazit

Nach der Lektüre des spannenden Romanes Die Triffids wirkt Wyndhams Es geschah am Tage X nur noch enttäuschender. Trotz eines vielversprechenden Anfanges gelingt es dem Autor nicht, seinen Stoff in eine Form zu bringen, die überzeugen kann. Das Ergebnis ist selten genug: Die Verfilmung des Romanes aus den 60er Jahren ist besser als seine literarische Vorlage.

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