Michael Grant: Gone. Verloren

Rezension des Romans ‚Gone‘ von Michael Grant

Eine Buchbesprechung von Rob Randall

In seiner bisher 4 Bände umfassenden Jugendbuchreihe Gone kombiniert der amerikanische Autor Michal Grant seit 2009 auf kreative Weise einige schon aus anderen Werken bekannte Elemente. Das Ergebnis: Eine begeisterte Zielgruppe diesseits und jenseits des Atlantiks.

Ein Grund hierfür dürfte unter anderem auch die Geschwindigkeit sein, mit welcher Grant die Ereignisse in dem kleinen amerikanischen Städtchen Perdido Beach vorantreibt – denn schon auf der ersten Seite des Auftaktbandes Verloren verschwinden alle Erwachsenen. Die Suche von Sam Temple und seinen Freunden Quinn und Astrid nach ihren Eltern bleibt erfolglos: Alle Personen über 15 Jahre lösen sich in Nichts auf. Aber  nicht nur das – sie müssen zudem feststellen, dass ihre Heimatstadt innerhalb eines Gebietes liegt, das nun von einer rätselhaften Mauer umschlossen wird und in dessen Zentrum merkwürdigerweise das Kernkraftwerk liegt, in dem Astrids Vater gearbeitet hat und in dem sie deshalb auch Astrids autistischen Bruder Pete aufspüren. Schnell bilden sich auch die bekannten und literarisch erfolgreichen, aber insgesamt langweilig stereotypen Lager innerhalb der neuen Kindergesellschaft aus: Der stadtbekannte Schläger Orc hat seine ihm ergebenen Gefolgsleute zusammengetrommelt und schickt sich an, in dem kleinen Städtchen als Sheriff den Ton angeben zu wollen. Die Guten kümmern sich um die Kleinkinder und organisieren das Überleben. Gottseidank wartet Grant wenig später mit Einfallsreicherem auf: Innerhalb kürzester Zeit übernehmen der skrupellose Caine und seine straff durchorganisierte Truppe aus schwer erziehbaren Internatsschülern das Kommando.

King. Gone. Grant. Lost. Verschwunden: popkulturelle Anspielungen

Herrje, möchte man da denken, wie soll das denn bei verhaltensgestörten Kindern und jugendlichen Straftätern in spe funktionieren? Doch Grant liefert eine Erklärung, die ihn als bekennenden Fan Stephen Kings ausweist: Innerhalb der FAYZ (Fallout Alley Youth Zone) treten nicht nur plötzlich Mutationen im Tierreich auf, sondern auch einige der Kinder entwickeln übernatürliche Fähigkeiten – und der bislang Mächtigste unter ihnen ist Caine, der mal eben – wie sich später herausstellt – allen potentiellen Konkurrenten die Hände einbetoniert hat (weshalb sie ihre Fähigkeiten auch nicht benützen können und nach dem Verschwinden ihres Wächters auch jämmerlich verhungert ausschauen). Natürlich zeigt auch der Protagonist des Romanes einige bemerkenswerte neue Eigenschaften, so dass es nach zahlreichen Scharmützeln zu einem für einen Jugendroman bemerkenswert brutalen Showdown kommt (Das ist aber auch schon das einzig Vorhersehbare). Neben rätselhaft magischen und gewalttätigen Elementen gemahnen übrigens noch andere Aspekte an Stephen Kings Roman Stand. So lauert in einem alten Bergwerksstollen unter dem Nationalpark Stefano Rey (span. für Stephen King) etwas Namenloses und Böses, das telepathisch die nun sprechenden Koyoten der Stadt kontrolliert und sich anschickt, die noch verbliebenen Menschen zu töten (Wieso diese numinose Macht nicht einfach wartet, bis die Kinder durch ihr Verschwinden nach und nach in ihre Hände fallen, erklärt sich hoffentlich in einem der nächsten 6 Bände). Auch deshalb erscheint mir die Altersempfehlung von 13-17 Jahre für diesen All-Ager doch zweifelhaft. Mindestens 14 Sommer sollte der jugendliche Leser schon gesehen haben.

Und neben neben der popkulturellen Anspielung auf die TV-Serie Lost im Namen der Stadt und dem Titel des Bandes selbst ist noch ein zweites literarisches Vorbild erkennbar: Denn es ist kein Zufall, dass sich in Perdido Beach eine Golding Street als Reminiszenz an Herr der Fliegen findet. Anders als Golding geht es in Gone Grant aber nicht um eine Analyse des gewalttätigen Potentials des Menschen, das einen abgezirkelten Bereich mit utopischen Vorzeichen in eine Hölle für den Einzelnen verwandelt – auch wenn er seiner Frau während der Arbeit am Buch zugerufen haben will: Hell, I’m writing Lord of the Flies!* Im vor allem auf Spannung setzenden Gone wird der jugendlichen Zielgruppe im Kampf klischeehafter Figuren gegeneinander und um ihr Überleben der Unterschied zwischen Gut und Böse, richtig und falsch, Verantwortung und Verantwortungslosigkeit sowie zwischen Feigheit und Mut lehrerhaft vordekliniert; aber das – so muss man auch als Erwachsener einfach sagen – ungeheuer fesselnd.

Schwache Dialoge vs. Spannende Handlung – 1:2

Es ist deshalb schade, dassin Gone Grant den auch für Erwachsene hohen Unterhaltungswert seiner spannend erzählten und rätselhaften Geschichte neben stereotypen Figuren mit teilweise stark konstruiert wirkenden Dialogen und weitgehender Humorlosigkeit schmälert – zumal die oberflächlichen Unterhaltungen nur dazu zu dienen scheinen, anhand von Stichworten die nächste actionreiche Sequenz vorzubereiten. Aber die Figuren wie der Autor stehen ja auch tüchtig unter Zeitdruck; erstere, weil mit jedem Kapitel ein wenige Tage umfassender Countdown auf Sam Temples 15. Geburtstag herunterzählt, und letzterer, weil er noch gut 3000 Seiten schreiben muss. Aber wer jetzt wissen will, wie das das nun wieder zusammenpasst, der muss den Roman selber lesen.

Fazit

In Michael Grants Roman Verloren aus der Reihe Gone verschwindet der Unterhaltungswert weder durch dessen stereotype Figuren noch dessen oberflächliche Dialoge. Ganz auf action, ganz auf mystery gesetzt  – und: doch noch gewonnen.

* Interview mit Michael Grant aus dem Juli 2009 in Publishers Weekly.

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