Susan Beth Pfeffer: Die Welt wie wir sie kannten

Eine Rezension von Rob Randall

Schon kurz nach seinem Erscheinen im Jahre 2006 avancierte Susan Beth Pfeffers Jugendbuch Die Welt wie wir sie kannten (Life as we knew it) zu einem Bestseller. Zudem wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet (unter andrem dem Best books for young Adults Award der American Library Association und dem Booklists Editor’s Choice Award for Youth). 2010 erschien der Katastrophenroman dann im Carlsen Verlag auf Deutsch.

Der in Tagbuchform gehaltene Roman schildert die dramatischen Erlebnisse der 16-jährigen Miranda in einer von verschiedensten Katastrophen heimgesuchten Welt, in welcher sie gemeinsam mit ihrer Familie um das nackte Überleben kämpfen muss. Erscheint zu Beginn der bevorstehende Einschlag eines Meteoriten auf dem Mond nur ein interessantes mediales Großereignis zu sein, das die us-amerikanische Öffentlichkeit gebannt verfolgt, so stellt sich bald heraus: Der Einschlag auf dem Erdtrabanten, der nun bedrohlich groß am Himmel steht, hat dessen Umlaufbahn verändert. Infolge seiner größernen Anziehungskraft brechen nicht nur verheerende Tsunamis und Sturmfluten über die Küstengebiete der Welt herein, sondern auch Vulkane und Supervulkane aus. Die in die Atmosphäre geschleuderte Asche verdunkelt den Himmel zunehmend, woraufhin die Temperaturen bedrohlich sinken.

Mirandas Mutter beginnt schon wenige Stunden nach dem Beginn der Katastrophe in einer zunehmend in Panik verfallenden Umwelt, alles zum Leben Notwendige für sich ihre Kinder zu horten. Als die Lebensmittelversorgung wie die Stromversorgung zusammenbrechen, sind Miranda, ihre Mutter, ihr jüngerer Bruder Jonny sowie ihr älterer Bruder Matt, dem es später gelingt, aus seinem Studienort zu seiner Familie zu gelangen, auf sich alleine gestellt. In der sich immer weiter leerenden und zunehmend gefährlicheren Stadt kämpft die Familie gegen Hunger, Kälte und Krankheiten um das nackte Überleben – doch dieses kann nur gelingen, wenn die Familie zusammen hält.

Altersgerechte Katastrophen

Susan Beth Pfeffers Jugendroman wartet zwar mit einer ganzen Reihe von entsetzlichen Katastrophen auf, doch aufgrund der durchgängig eingenommenen Perspektive der Ich-Erzählerin erscheinen diese altersgerecht nur medial vermittelt – zumindest, solange es noch Fernsehen und Radio gibt. Grausige Szenen sucht man hier vergeblich. In Nebensätzen explodieren Atomkraftwerke. Selbst die nette Nachbarin von nebenan ist sanft in ihrem Bett entschlafen – und diese ist auch schon die einzige Leiche, der die Protagonistin begegnet. Der boshafteste zwischenmenschliche Akt, der in Pfeffers Buch zu finden ist, wird im Übrigen von zwei pflichtbewussten privaten Wachmännern begangen, als sie die verzweifelte Miranda nicht zum Arzt und Freund ihrer Mutter ins Krankenhaus lassen wollen.

Apokalyptisches Familienglück

Die amerikanische Autorin präsentiert dem jugendlichen Leser die Familie als die verlässliche kleinste Zelle der Gesellschaft, welche selbst als Patchwork-Variante im angesicht der Apokalypse die einzige Sicherheit bietet. Dementsprechend werden die aufgrund der zunehmend beengten Verhältnisse entstehenden zwischenmenschliche Konflikte nicht nur zur Gänze gelöst, sondern die Mitglieder der Familie finden auch verstärkt zu einander und übernehmen immer häufiger Verantwortung für die anderen. Gilt letzteres zu Beginn nur für ihre Mutter, so wächst auch eher durchschnittliche Identifikationsfigur Miranda glaubwürdig immer weiter an den an sie gestellten Herausforderungen.

Schmerzhafte Lücken im Katastrophenszenario

Aus der altersgerechten Art und Weise, in der Pfeffer eine zunehmend ordnungslosere U.S.A. präsentiert, erwachsen jedoch einige logische Probleme – die aber wohl nur der erwachsene Leser als solche bemerken dürfte: Der Ausfall sämtlicher Radiostationen erscheint angesichts der Art der eingeführten Katastrophen genauso unglaubwürdig wie die Tatsache, dass es nicht zu (gewaltsamen) Plünderungen kommt. Das Bedrohungszenario, das die Autorin durch bewaffnete Banden aufgebaut, wirkt zudem, da diese sich auf den “Diebstahl” von Spanplatten aus verlassenen Häusern beschränken, in seiner Reduktion stark konstruiert. Das Militär tritt ebensowenig in Erscheinung wie andere Regierungsorganisationen. Der Staat wird beinahe bis zum Ende aufgrund der Intention des Romanes ausgeblendet. Über weite Stecken lässt die Geschichte außerdem die aus den klimatischen Veränderungen resultierende Atmosphäre der Bedrohung vermissen – Fans von McCarthys Die Straße werden hier nicht auf ihre Kosten kommen.

Fazit

Susan Beth Pfeffers Roman Die Welt wie wir sie kannten präsentiert gleich ein ganzes Kaleidoskop an Katastrophen, die aber genauso altersgerecht dargeboten werden wie das menschliche Miteinander – welches hier im Angesicht der Katastrophe dem erwachsenen Leser stark geschönt erscheint. Eine actionreiche Handlung sucht man hier über weite Strecken vergeblich – die weitgehend unspektakulären Herausforderungen ergeben sich aus (teilweise typischen) Konflikten zwischen den Familienmitgliedern und/oder dem Alltag im Angesicht der Katastrophe. Alles in allen: Eine “nette” Apokalypse.

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