Eine Rezension von Rob Randall
„Ich will kurz sein – kurz, wie der Untergang“: Mit seiner Erzählung Die Unterhaltung von Eiros und Charmion hat Poe 1839 ein höchst merkwürdiges Stück Literatur verfasst.
Im paradiesischen Jenseits empfängt Charmion nach der Apokalypse, die hier deshalb auch noch im biblischen Sinne „Ent-hüllung“ ist, Eiros mit seinem neuen Namen. Da sich letzterer nicht mehr an die Einzelheiten des Unterganges erinnern kann, schildert Charmion den Ablauf der Katastrophe: Die Entdeckung eine neuen Gaskometen* und dessen Auswirkungen auf die Atmosphäre des Planeten. Dann: Die anfängliche Gelassenheit der Menschen, weil die biblischen Texte den Untergang durch Feuer – und nicht durch Gas prophezeiten. Die spätere höchst beunruhigende Entdeckung: Das in Experimenten bewiesene Ansteigen des Sauerstoffgehaltes. Dieser habe zu seltsamen Veränderungen im Verhalten der Menschen und merkwürdigen Erscheinungen in der Pflanzenwelt geführt. Das zwangsläufige Ende: Man habe gegen sein kochendes Blut und um Luft gerungen – bis sich durch den Einschlag des Himmelskörpers die Atmosphäre entzündet und so die biblische Prophezeiung erfüllt habe.
Die Schilderung der biblischen Endzeit in wissenschaftlicher Manier weist Poes Text als seltsamen Bastard aus, der sich zwischen religiöser und säkularer Apokalypse bewegt, wobei in der dialogischen Struktur die Qualitäten des Jenseits weitgehend Leerstelle bleiben können. Der Text repräsentiert in seiner wissenschaftlich rationalen Konzentration auf das ‘Wie’ des göttlichen Heilsplanes einen Übergang, den andere Autoren bzw. Autorinnen aber – wie z.B. Mary Shelley in Verney, der letzte Mensch – unter der Ausblendung des ‘Warum’ wenige Jahre zuvor viel radikaler vollzogen hatten. Die Verwendung zeitgenössischer wissenschaftlicher Theorien unter ästhetischen Gesichtspunkten weist jedoch schon den Weg zu all jenen apokalyptischen Science Fiction Büchern, die im Verlaufe des 19. und 20. Jahrhunderts noch kommen sollten. Der Zwitterhaftigkeit seines Wesens ist wohl auch die retrospektive Anlage geschuldet, welche hier auf die abenteuerliche Quest der Protagonisten zur Gänze verzichten, aber so das paradoxe Wagnis einer säkularen postapokalyptischen Rede vom Ende der Welt noch nicht eingehen muss. Poe liefert damit den esoterischen Prophezeiungen William Millers, die in den U.S.A. der 30er Jahren für Aufregung sorgten, einen wissenschaftlichen Rahmen, der seine schauerliche Wirkung auf so manchen Leser nicht verfehlt haben dürfte – auch wenn der heutige Rezipient eher mit Befremden und Stirnrunzeln reagiert.
* Die damalige wissenschaftliche Auffassung, dass Kometen gänzlich aus Gas bestehen, ist natürlich längst ad acta gelegt.