Petersburg nach dem Atomkrieg: Rezension von Schimun Wrotscheks postapokalyptischem Roman ‚Piter‘ aus der Metro-2033-Reihe
Eine Buchbesprechung von Rob Randall
Mit Schimun Wrotscheks Roman aus dem St. Petersburger Untergrund ist im März diesen Jahres der dritte Titel des Metro-2033-Universums in deutscher Sprache erschienen. Während sich Djakows ebenfalls in Petersburg spielende Geschichte Reise ins Licht, eher auf eine überirdische Expedition konzentrierte, bedient sich Wrotscheks Piter wieder stärker der erfolgreichen Strategie von Metro 2033:
Den sympathischen Digger Iwan schickt der Autor dementsprechend nicht nur durch dunkle Tunnel, die von mysteriösen Gestalten bevölkert werden, sondern auch zu zahlreichen U-Bahnstationen, die verschiedenste Gesellschaften bewohnen – auch wenn der Roman zuletzt doch noch mit einer Reise zum nahegelegenen Atomkraftwerk schließt – einem Ausflug, von dessen Erfolg natürlich das Überleben der Petersburger Metro abhängt.
Zuvor allerdings gerät Iwan als Anführer der Digger seiner Station Wassileostrowskaja in die Mühlen einer politischen Intrige: Denn obwohl der Krieg seiner Allianz gegen die vermeintlichen Diebe eines überlebenswichtigen Generators erfolgreich verläuft, kann Iwan nicht nach Hause zurückkehren – hat er doch entdeckt, dass der Raub als Anlass des Krieges eine Operation unter falscher Flagge gewesen ist und die wahren Schuldigen nur danach streben, das Machtverhältnis innerhalb der Metro zu ihren Gunsten zu verschieben. Auf der Suche nach einer Möglichkeit zur Rache macht sich der integere Iwan auf zu einer Odyssee durch die Metro, welche zahlreiche Geheimnisse und Abenteuer für ihn bereithält.
Licht- und Schattenseiten
Wrotschek sind ein paar Fehler seiner Vorgänger nicht unterlaufen: So variieren die Abenteuer Iwans und die gefährlichen Situationen, in welche er als Held der Geschichte gerät, weitaus stärker als bei Glukhovskys Metro 2033 – Monotonie kommt hier deshalb nicht auf. Zudem bemüht Wrotschek sich, den von ihm erdachten Gesellschaften einfallsreich Leben einzuhauchen – und auch das gelingt ihm ganz gut, besonders im Falle der Veganer, die sich besonders perfide Methoden ausgedacht haben, um ihre psychoaktiven Pilze zu züchten.
Weniger überzeugt die Handlung jedoch da, wo sie von einem Abschnitt des Romanes in einen anderen glaubwürdig überführt werden soll: So trifft Iwan in dem ihm zuvor unbekannten Klein-Venedig nicht nur einen totgeglaubten Bekannten wieder, sondern in der nächsten Minute auch einen ehemaligen Untergebenen, womit das Team für das nächste Abenteuer nach einer Seite vollständig ist. Doch bevor der mittellose Dreier-Trupp starten kann, ist nicht nur einer von ihnen noch freizukaufen, es muss auch hierzu noch Geld – oder besser: es müssen Patronen beschafft werden. Der Lösung dieses kniffligen Problems widmet Wrotschek noch nicht einmal eine weitere Seite – dann kann es endlich losgehen. Eigentlich sollte ein Roman mit über 600 Seiten genügend Raum bieten, damit so etwas nicht passiert.
Während solche negativen Momente in der Handlungsführung angesichts der folgenden Abenteuer schnell wieder in den Hintergrund treten, begleitetet den Leser der sprachliche Stil des Autors jedoch durch das ganze Werk:
Iwan atmete schwer. Die Wut schnitt ihm immer noch die Kehle zu. Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Es fühlte sich an wie eine Gasmaske. Gummiartig und gefühllos. Macht nichts, sagte sich Iwan. Das ist ganz normal. Du kannst dir noch so sehr den Arsch für sie aufreißen, ein Zugereister bleibst du trotzdem. Für immer. Die Wassileostrowskaja. Das ist mein Zuhause.
Wrotscheks Satzbau ist – auch da wo der Adrenalinspiegel des Helden gerade mal nicht ansteigt und wir uns als Leser nicht mit Iwans Innerem Monolog oder seinem Bewusstseinsstrom auseinandersetzen müssen – in hohem Maße parataktisch. Nebensätze sucht man seitenlang vergebens. Selbst die Hautpsätze sind häufig elliptisch. Kurz: Noch einfacher könnte die Sprache kaum gehalten sein. Inwiefern ein solch monotoner Stil noch gefallen kann, soll jeder selbst entscheiden – meinen Geschmack trifft Wrotscheks verstümmelte Sprache nicht; ich hatte vielmehr Mühe, mich noch zum Weiterlesen zu motivieren.
Fazit
Den eigentlich guten Eindruck, den Wrotscheks spannende Geschichte aus der Zeit nach dem Atomkrieg macht, trübt die wenig abwechslungsreiche und in hohem Maße einfache Sprache des Romans. Piter erreicht in meinen Augen leider nicht die Qualität von Metro 2033 – und auch nicht jene der vorhergehenden Romane aus dem Metro-2033-Universum.