Lori Andrews: Epidemie

Eine Rezension von Rob Randall

In ihrem neuen Roman Epidemie, der schon 2007 unter dem Titel The Silent Assassin in den U.S.A. erschien, lebt die bekannte Biologin und Genetikerin Lori Andrews ihre Phantasien auf einem ihr vertrauten Terrain aus: Eine rätselhafte Krankheit, die an eine Autoimmunreaktion erinnert, beginnt hunderte von Menschen in benachbarten Bundesstaaten auf schreckliche Weise zu töten – und das anscheinend immer samstags.

Die Pathologin Alexandra soll eines Tages den Leichnam eines möglicherweise seinem Drogenkonsum zum Opfer gefallenen Polizisten obduzieren. Leider kann sie ihre Untersuchungen zu keinem Ende bringen, denn unter mysteriösen Umständen verschwindet die Leiche. Rätselhaft! Gemeinsam mit Castro, einem Undercover-Agenten der Heimatschutzbehörde und gutem Freund des Opfers, der seinen Kollegen von allen Vorwürfen reinwaschen will, beginnt sie mehr oder weniger auf eigene Faust zu ermitteln. Außerdem ist ihr der Mann nicht unsympathisch und fesselt immer wieder ihre weibliche Aufmerksamkeit. Die Untersuchungen der beiden fördern Schreckliches zu Tage: Es gibt Dutzende von weiteren Opfern. Alex beginnt nun eine Seuche oder einen allergischen Schock aufgrund chemischer Substanzen zu vermuten, doch da die Todesfälle immer nur samstags auftreten, muss sie auf jeden Fall von einem terroristischen Anschlag mit möglicherweise auch ansteckenden Erregern ausgehen. Verdächtige gibt es genug: Da wäre zum einen der Pharmakologe Renfrew, bei dessen Beschattung das erste Opfer ums Leben gekommen ist, eine radikale Indianerorganisation, die sich die  Bekämpfung der Weißen und die Rückkehr zu den alten Lebensgewohnheiten ihrer Vorfahren auf die Fahnen geschrieben hat, als auch das allgegenwärtige Heimatschutzministerium (das scheinbar einen substantiellen Verlust von Vertrauen bei amerikanschen Romanautoren verbuchen muss).

Ich habe eine Weile überlegen müssen, um zu einer Entscheidung zu kommen, ob ich dieses Buch in diesem Blog überhaupt rezensieren will – zu wenig steht die Katastrophe bzw. die Seuche selbst im Vordergrund. Vonwenigen Einzelfällen abgesehen, konzentriert sich die Handlung auf die medizinischen, genetischen und kriminalistischen Überlegungen bzw. Ermittlungen der  Pathologin Alexandra – von den vielen manchmal auch irritierenden Nebenhandlungen einmal abgesehen. Letzenendes habe ich mich doch dafür entschieden: Erstens bleibt eine Seuche immer noch eine Seuche, auch wenn sie im Buch überwiegend nur als Bericht durch Dritte in Erscheinung tritt, und zweitens ist das Buch ein solider, gar nicht mal so schlechter Thriller – den man aber auch eben nicht unbedingt gelesen haben muss, und das aus verschiedenen Gründen:

Alle Figuren bleiben ohne Tiefe. Dieses gilt selbst für die Hauptfigur Alexandra, aus deren Perspektive der Roman überwiegend personal erzählt wird. Ich bin mit den Figuren jedenfalls nicht warm geworden (zu Beginn wird  übrigens – weil die Hauptfigur noch gar nicht eingeführt wurde – auch personal aus Castros Perspektive berichtet. Einen solchen Wechsel betrachte ich immer noch, wenn er nicht gerade zu einem Gestaltungsprinzip des Werkes gemacht wird – wie beispielsweise bei Der Schwarm von Frank Schätzing  – immer noch als Indiz für eine mangelhafte Konstruktion einer Erzählungs).

Manchmal nehmen auch die Nebenhandlungen für meinen Geschmack einen zu großen Raum ein. Die Ermittlungen Castros bezüglich einiger Männer, die junge Mädchen mit tödlichen Sexdrogen gefügig machen, sowie die Sorgen der Hauptfigur um die Tocher Barbaras, einer befreundeten Juristin, wären überflüssig, wenn es nicht gerade die Nebenhandlungen wären, die den Roman über weite Strecken lesbar machen – denn die eigentliche Haupthandlung dümpelt viele Seiten nur so vor sich hin und kommt nicht richtig in Schwung – und manchmal ermüden auch die sich wiederholenden medizinischen, pathologischen und biologischen Überlegungen der Hauptfigur, die nicht wirklich Spannung aufkommen lassen wollen – wenn wieder einmal an einem Ort in einem anderen Bundesstaat Menschen gestorben sind.

Gestört habe ich mich an den Visionen derAutorin bezüglich der Möglichkeiten künstlicher Intelligenz bzw. ihre Einschätzung des momentanen Forschungsstandes. In einem Roman wie diesen wirkt ein Gen-Computer, der über eine eigene Persönlichkeit verfügt und sich seine harte Mitarbeit bei der Suche nach dem Ursprung der Seuche mit zahlreichen Scherzen auf Kosten der Anwesenden versüßt, wie ein Fremdkörper – selbst wenn er aus einem (verstaubten) Lagerraum des amerikanischen Heimatschutzministerium stammt.

Nichtsdestotrotz: Der Roman war interessant, gerade weil die Autorin genau zu wissen scheint, wovon sie spricht – derart sicher bewegt sie sich auf diesem Terrain. Vor allen Dingen die wissenschaftlichen Zusammenhänge in Verbindung mit einer mäßigen Spannung machen diesen Roman lesbar. Aber ein zweites Mal werde ich ihn nicht mehr zur Hand nehmen.

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