Eine Rezension von Rob Randall
Eigentlich ist es sinnvoll, misstrauisch zu werden, wenn so viel Furore um ein Buch wie Der Schwarm von Frank Schätzing gemacht wird. Mehr als 3900000 wurde das Buch seit 2004 verkauft – eine unglaubliche Zahl, gerade auch aufgrund der Tatsache, dass das Buch 1000 Seiten umfasst. Zum Vergleich: Günter Grass’ berühmter Roman Die Blechtrommel wanderte seit seinem Erscheinen 1959 (!) „erst“ 3200000 über den Ladentisch. Ich war jedenfalls misstrauisch, als ich das Buch das erste Mal zur Hand nahm – unnötigerweise, wie sich herausstellte. Mittlerweile habe ich es 5 Mal gelesen und finde es immer noch nicht langweilig. Dass das Buch so spannend ist, liegt an verschiedenen Faktoren:
Zum einen ist der Grundplot gut gestrickt. Seltsame Würmer werden auf dem Meeresboden gefunden, die sich in die dort vorkommende Methaneisdecke bohren. Zudem sind die Meere für die Menschen mit einem Male nicht mehr sicher: Grauwale attackieren planvoll Boote und Schiffe – gleich ob sie mit Umweltaktivisten oder Fischern besetzt sind – und Orkas machen sich anschließend über die Opfer der Angriffe her. Letztenendes kommt der gesamte Schiffsverkehr aufgrund verschiedener unglaublicher Hindernisse maritimen Ursprungs zum Erliegen: Die Welt geht einer wirtschaftlichen Katastrophe entgegen.
Eine solche trifft auch in anderer Form Nordeuropa, denn die von den Würmern ausgelösten Rutschungen am Kontinentalhang verursachen einen Tsunami, der in allen Anrainerstaaten Millionen Todesopfer fordert.
Die schon zu Beginn des Romans eingeführten Hauptfiguren kämpfen in diesem über die Welt hereinbrechenden Wahnsinn nicht nur häufig um ihr Leben (und verlieren es auch manchmal), sondern sind teilweise auch an von der US-Regierung organisierten Foschungsprojekten zur Planung von Gegenmaßnahmen beteiligt. Sigur Johanson, die wichtigste unter ihnen, ist als Meeresbiologe dem Rätsel schon seit seinem ersten Erscheinen auf der Spur, er ist es auch, der als erster hinter den Ereignissen einen planenden Geist vermutet und die Theorie aufstellt, dass in den Ozeanen eine dem Menschen bisher unbekannte Intelligenz („Yrrr“) existiere, die aufgrund der zunehmenden Umweltzerstörung zum Gegenschlag ausgeholt hat. Angesichts der Entdeckungen, dass der Golfstrom gestoppt wurde und dass ein noch viel gewaltigerer Tsunami droht, drängt die Zeit alle Beteiligten, die fremde Lebensfom zu finden und sie an der drohenden Vernichtung der Menscheit zu hindern.
Doch es ist nicht nur der Plot, der die Geschichte so spannend macht: So unglaublich die geschilderten Ereignisse auch sein mögen, dem Autor gelingt es durch die Inanspruchnahme wissenschaftlicher Theorien und Fakten das Gesamtgebilde glaubwürdig erscheinen zu lassen – wenn man sich denn auf die Existenz einer Kollektivintelligenz in den Tiefen der Ozeane einlassen kann.
Die Anlage des Werkes wirkt sich ebenfalls positiv auf die Spannung beim Leser aus: Durch die verschiedenen Hauptfiguren werden verschiedene Handlungsstränge an verschiedenen Orten ermöglicht, die der Autor für zahlreiche Cliffhanger nutzt – das Buch ist, auch wenn an einigen Stellen die wissenschaftlichen Erklärungen arg lang ausfallen und der Exkurs Anawaks überlesbar erscheint, einfach ein Pageturner.
Die Figuren sind zudem mit einer Ausnahme glaubwürdig und nicht sterotyp, nur die Handlungen der Leiterin der Gegenmaßnahmen – sie wird später Sigrid Johansons Gegenspielerin – erscheinen unglaubwürdig und wenig wahrscheinlich, auch wenn die Charakterzüge aller Figuren, insbesondere des weintrinkenden und käseessenden Schöngeistes Sigurd Johanson, der der Damenwelt nie abhold ist, für meinen Geschmack etwas zu stark gezeichnet sind.